Über die frühen Jahre der Publizistin, Frauenrechtlerin und Dramatikerin Olympe de Gouges ist wenig Gesichertes bekannt. Doch dieses Bisschen hat es in sich und ist doch typisch für die Zeit: Sie kam 1748 im südfranzösischen Montauban als Tochter eines adligen Schriftstellers zur Welt, der seine Tochter jedoch nicht anerkannte. Mit siebzehn wurde sie in eine unglückliche Ehe gezwungen. Sie wurde Mutter eines Sohnes, kurz darauf starb ihr Mann. Mit gerade einmal neunzehn Jahren war Marie Gouze – so ihr Geburtsname – schon Witwe. Das Prinzip Ehe lehnte sie fortan ab, nicht aber Liebschaften. Mit ihrem Sohn und einem wohlhabenden Unternehmer zog sie nach Paris. Dort benannte sie sich in „Olympe de Gouges“ um; Namensänderungen waren in Bürgertum wie Adel weit verbreitet.
De Gouges vereinte Mondänität mit einem ausgeprägten politischen Verständnis. Ihre Attraktivität zog bei Veranstaltungen des Hofes und der Opposition gleichermassen Verehrer an, die sie finanziell unterstützten und ihr das Verfassen erfolgreicher Romane und Theaterstücke ermöglichten. Zunehmend umgab sich de Gouges mit Journalisten, Autoren und Philosophen, ihr Schaffen wurde politischer. Sie machte sich für Sozialreformen im erstarrten Königreich Frankreich stark. Die Forderungen umfassten Stimmrecht und Rechtsgleichheit für Frauen wie Männer, Scheidungs- und Bildungsrecht für Frauen, ein Gesetz gegen Heiratsschwindel, Eheverträge, Schutz von Müttern unehelicher Kinder, Arbeitslosen-Unterstützung sowie die Abschaffung von Todesstrafe und Sklaverei. De Gouges Ideal der völligen Gleichheit aller lag ganz im Trend der Zeit.
Der Ausbruch der Französischen Revolution 1789 befeuerte ihren Schaffensdrang weiter. De Gouges war nicht die einzige Frau, die sich in die Diskussionen der republikanischen Nationalversammlung einbrachte, doch keine tat dies so deutlich und konsequent wie sie. „Mann, bist du fähig, gerecht zu sein?“ Mit dieser provokanten Frage eröffnete sie 1791 ihr bekanntestes Werk, die „Erklärung der Rechte der Frau“. Damit antwortete sie selbst auf eine Provokation: 1789 hatte die Republik die „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ verabschiedet. Geschickt entlarvte de Gouges diese als Erklärung, die lediglich Männern weitgehende politische Rechte zugestand. Gleichzeitig kritisierte sie die Frauen für ihre Intrigen und „Kopfkissenpolitik“, die verheerende Schäden angerichtet hätte. Doch ihre Kritik fand keinerlei Gehör.
Denn die Republik wandelte sich zunehmend zur Terror-Republik, die tatsächliche und vermeintliche Kritiker scharenweise hinrichtete. Dazu zählte auch Olympe de Gouges. Nachdem sie die Regierung als „Schandfleck“ und „Abschaum“ betitelt hatte, wurde sie verhaftet. Eine Frau solle das Recht haben, gleichermassen eine Rednertribüne wie ein Schafott besteigen zu können; so hatte es de Gouges in ihrer Erklärung gefordert. Ein Treppenwitz der Geschichte: 1793, im Alter von 45 Jahren, ging über ihr das Fallbeil nieder.
Eine Rednertribüne hatte sie nie betreten. 1795 wurde Frauen die Teilnahme an der Politik verboten.