Paula Fürst wurde 1894 im niederschlesischen Glogau – heute Głogów – in eine KaufmannsFamilie geboren. Früh verstarb der Vater und so siedelte die Familie 1906 nach Berlin über, wo Paula dank ihrer Begabung trotz relativer Armut ein angesehenes Gymnasium besuchen und die Lehrerinnen-Ausbildung absolvieren konnte. Das antisemitische Klima der damaligen Gesellschaft verhinderte aber ihre Anstellung im Dienst des Staats, weshalb sie ein Geschichts- und Französisch-Studium begann. Nachdem sie dort mit den Ideen Maria Montessoris in Kontakt gekommen war, brach sie ihr Studium ab, besuchte Montessori Kurse und hospitierte in entsprechenden Einrichtungen.
Im April 1926 wurde Paula Fürst eine Pionier-Rolle zuteil: Sie wurde Leiterin der ersten öffentlichen Berliner Montessori-Klasse – es gab keine Noten, dafür viele Freiheiten und Selbstverantwortung. In den Jahren 1929 bis 1931 traten einige der Kinder ins Gymnasium über. Die Berliner Schulbehörden waren einem strengen preussischen und damit gegenteiligen Schulbild verpflichtet, sie verlangten deshalb Halbjahresberichte über die weitere Entwicklung dieser Kinder. Darin wird die ablehnende Haltung der Schulbehörden deutlich: Man wolle beobachten, „ob und welche Schwierigkeiten und Mängel hervortreten, die man auf den vorausgegangenen Unterricht zurückführen könne“.
Der Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft 1933 bedeutete vorerst das abrupte Ende für deutsche Montessori-Schulen. Die Nazis verfemten die Montessori-Pädagogik als „undeutsch“ und „jüdische Propaganda“, die eine „egoistische Haltung“ und die „Vereinsamung“ fördere. Absolventen dieser Schulen seien „unfähig zur Volksgemeinschaft“; eine „Gemeinschaft“, die den Prinzipien der Ausgrenzung und der gegenseitigen Denunziation folgte. Nach der erzwungenen Schulschliessung wurde Fürst Leiterin der Theodor-Herzl-Schule in Berlin; eine letzte demokratische und humanistische Insel inmitten des „Dritten Reichs“. Für die jüdischen Schülerinnen und Schüler war diese Schule ein Refugium, das ihnen ermöglichte, trotz der Schikanen und Diskriminierungen im Alltag ihre mentale Gesundheit zu bewahren und eine Zukunftsperspektive aufzubauen.
Ende März 1939 musste auch diese Schule ihren Betrieb einstellen. Paula Fürst fand eine Anstellung bei der „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“, einem erzwungenen Dachverband, in dem alle jüdischen Gemeinden und Vereine aufgingen, kontrolliert vom NSStaat. Bis Herbst 1941 half die „Reichsvereinigung“ jüdischen Menschen bei der Emigration, so auch Paula Fürst. Danach wurde die Vereinigung zur Mithilfe bei der Vernichtung der eigenen Kultur und der eigenen Mitglieder gezwungen. Mit Beginn der Deportationen im Herbst 1941 drohte jüdischen Menschen täglich die Verhaftung. Im Juni 1942 wurde Fürst aufgefordert, sich in Berlin für einen „Sammeltransport“ registrieren zu lassen – einen Deportationszug. Wenige Tage danach wurde sie über Königsberg nach Minsk oder Baranawitschy im damaligen „Reichskommissariat Ostland“ verschleppt. Der Zielbahnhof jenes Zuges ist bis heute unbekannt. Ebenso unbekannt bleibt, wo und wann genau Paula Fürst von den Nationalsozialisten ermordet wurde.
Stiller, Diana: Clara Grunwald und Maria Montessori. Die Entwicklung der MontessoriPädagogik in Berlin, Hamburg, 2008.